Panjiayuan – Chinas bekanntester Antik- und Flohmarkt

  

„Alles echt antik”, beteuern die Verkäufer. Doch mein chinesischer Verwandter, Sachverständiger für Antiquitäten, weiß es besser. „Nichts ist hier echt antik”, sagt er. Es sei denn, man käme im Morgengrauen. Dann könne es passieren – zwar nur in seltensten Fällen, aber immerhin -, dass man etwas Interessantes findet. Allerdings dürfe man dann meist nicht fragen, wie diese Sachen in den Besitz der Händler geraten sind. „Also Diebesgut?”, frage ich. Der Verwandte hebt die Schultern und sagt: „Das kann durchaus sein. Aber manchmal sind es auch Bauern oder Arbeiter, die irgendwo etwas bei Erdarbeiten ausgebuddelt oder in Abbruchhäusern entdeckt haben und nun zu Geld machen wollen. Beispielsweise viele Jahrhunderte alte Keramik. Solche Sachen werden hier von Kennern in den frühen Morgenstunden sofort entdeckt und gekauft.” Für Chinesen bieten sich auf diese Weise günstige Gelegenheiten. Ausländer sollten bedenken, dass sie mit derlei Einkäufen bei der Ausreise durch die chinesische Zollkontrolle müssen, was sich als schwierig gestalten könnte.


Panjiayuan, im Chaoyang-Distrikt im Südosten Beijings gelegen, ist ein großer Spaß für jeden, der chinesisches Kunsthandwerk und alles was im weitesten Sinne damit zu tun hat, mag. Und wer grundsätzlich davon ausgeht, dass es sich bei den „Antiquitäten“ fast ausschließlich um Repliken und Imitationen handelt, wird auch nicht enttäuscht und kann herrliche Sachen zu günstigen Preisen erstehen. Vorausgesetzt man ist gut im Handeln.
Meine letzten Besuche auf dem Panjiayuan liegen schon viele Jahre zurück. Damals war der Markt noch überschaubar. Inzwischen bedeckt er ein riesiges Areal mit Verkaufsflächen sowohl unter freiem Himmel als auch in Hallen und Buden. Die Aufteilung in Themengebiete ermöglicht rasche Vergleiche mit dem Angebot der benachbarten Stände.


Eine Stunde wollten wir bleiben. Mehr Zeit lohne nicht, meinte mein Verwandter, der Experte, weil das meiste seiner Meinung nach ja doch nur Ramsch wäre. Er musste vier Stunden ausharren, und wenn es nach mir gegangen wäre, noch länger, denn ich konnte mich gar nicht sattsehen. Es werden nicht nur „Antiquitäten” angeboten, sondern vieles mehr was das Herz erfreut wie Schmuck, Kleidung, Gemälde, Skulpturen, Porzellan, chinesische Möbel, Kunsthandwerk ethnischer Minderheiten, Schnitzereien usw.


Fündig wurde ich auf dem Büchermarkt, wo es neben Antiquarischem viele Restposten gibt, beispielsweise von Bildbänden, für die man im Buchhandel einst viel Geld zahlen musste.


Auf jeden Fall kann ich nur jedem empfehlen, diesen Markt einmal zu besuchen. Er gehört heute zu den beliebtesten Sehenswürdigkeiten der Stadt.
Panjiayuan ist jeden Tag geöffnet, jedoch kommen viele Händler nur am Wochenende, wenn der Besucherandrang besonders stark ist.



Emily und Toby aus Shanghai

  

 

Emily und Toby bestaunen die fremde Besucherin

Emily und Toby bestaunen die fremde Besucherin

Unsere deutschen Medien berichten regelmäßig über schlimmste Fälle von Tierquälerei in China und erwecken damit den Eindruck, die Chinesen wären – im Vergleich zu uns vorbildlichen Deutschen – ein Volk von Tierschändern. Merkwürdig aber, dass sich unter den Chinesen in meiner Umgebung eigentlich nur Tierfreunde befinden und dass manche von ihnen aus Achtung vor den Tieren Vegetarier sind. Ob im Norden, Westen oder Osten, überall habe ich Verwandte, Freunde und Nachbarn, die Hunde, Katzen oder Vögel als Haustiere halten. Es werden immer mehr. Da ist zum Beispiel meine Freundin H., die in Shanghai gleich im Haus gegenüber wohnt. Kürzlich stellte sie mir ihre beiden neuen Mitbewohner vor: Emily und Toby. Ihre Katze hatte Zuwachs bekommen.

Wie ich mich überzeugen konnte sind Mutter und Kinder wohlauf und entwickeln sich prächtig.



Hochzeitsessen bei den Lins

  

Eine chinesische Hochzeit ist immer auch eine großartige Show

Kürzlich wurde ich in Shanghai von einer Frau Lin zur Hochzeit ihres Sohnes eingeladen. „Lin“ kommt in China als Nachname etwa so häufig vor wie Müller bei uns. Dennoch handelte es sich bei dieser Familie nicht um irgendwelche, sondern um ganz besondere Lins, nämlich um die Nachfahren des großen Lin Zexu, jenes kaiserlichen Beamten, der 1839 in Kanton von den ausländischen Kaufleuten, vornehmlich den Briten, die Abgabe ihres Opiums erzwang und dies vernichten ließ. Da die Briten ihr Recht auf freien Handel als von Gott gegeben betrachteten, auch wenn es sich um Opium handelte und der Opiumhandel in China verboten war, nahmen sie die Opiumvernichtung zum Anlass, mit ihrer modernen Kriegsflotte China anzugreifen. Ihr Angriff ging als erster Opiumkrieg in die Geschichte ein und sollte für China mit einem demütigenden Vertrag und der Abtretung der Insel Hongkong an die Briten enden. Der entschlossen handelnde Lin Zexu wird noch heute in China als Nationalheld verehrt, und selbstverständlich sind seine Nachfahren ganz besonders stolz auf ihn.

Die Lins sind heute eine weit verzweigte Familie und so eilten zu dem feierlichen Anlass die Verwandten aus allen Ecken des Landes heran, einige sogar aus den USA und aus Australien. Wie den meisten Chinesen war auch den Lins, zumindest den Eltern, nicht die standesamtliche Trauung, sondern das große Festessen wichtig, zu dem sie Verwandte, Freunde und Geschäftspartner eingeladen hatten. Ein solches Festessen kann für das Brautpaar recht strapaziös sein, doch das junge Paar – beide in der Finanzbranche tätig – nahm es gelassen. Natürlich wurde – wie inzwischen in Chinas Städten üblich – in ein feines Hotel eingeladen.

Kurz nach fünf Uhr nachmittags ging es los. Das Brautpaar stand am Eingang zum Festsaal – sie in einem langen weißen Brautkleid mit Schleier und er im Smoking – und begrüßte jeden einzelnen Gast per Handschlag, was ein Fotograf eilig aufnahm. Das nahm zwar einige Zeit in Anspruch, doch schließlich saßen alle Gäste an den 21 runden Tischen à zehn Personen. Dann wurde es feierlich, denn der Bräutigam hatte sich eine kleine Überraschung ausgedacht. Er schnappte sich ein Mikrofon, trat auf die Bühne, jemand stellte eine Karaoke-Anlage an und schon schmetterte er ein Liebeslied. Daraufhin ging am Ende des Saales die große Flügeltür auf und die Braut trat herein. Singend eilte er ihr entgegen und führte sie auf die Bühne, begleitet von den Trauzeugen und Blumen streuenden Kindern. Ein Freund der Familie, ein landesweit bekannter Fernsehjournalist, gesellte sich zu ihnen auf die Bühne und übernahm die Leitung der Hochzeitszeremonie: das Austauschen der Ringe, das gemeinsame Entzünden einer Kerze als Symbol der ewigen Liebe, das Füllen einer Champagner-Pyramide und das Anschneiden der Hochzeitstorte. Dann wurde auf das Wohl des Paares angestoßen, die Gäste prosteten einander zu und griffen nach ihren Stäbchen, denn nun konnte das Festessen beginnen. Und während sich alle köstlich amüsierten, begann die Braut mit der üblichen Modenschau: Sie verschwand in einem Nebenraum und tauchte wenig später in einem langen violetten Traum aus Seide auf, um sich gebührend bewundern zu lassen. Noch zweimal sollte sie sich innerhalb der nächsten anderthalb Stunden umziehen und zunächst in einem traditionellen eng anliegenden Seiden- und zuletzt in einem knallroten kurzen Abendkleid erscheinen. Zeit zum Essen blieb dem Brautpaar kaum. Mit einer feierlichen Geste beschenkte es die Eltern und Großeltern mit Blumen als Dank für die vielen Jahre der Zuwendung und als Versprechen, ihnen im Alter beizustehen. Schließlich wanderte es noch an alle 21 Tische, um mit jedem Gast anzustoßen. Die Gäste tranken Rotwein, das Brautpaar mogelte ein wenig und stieß mit rotem Traubensaft an. Inzwischen war es halb neun und das Festessen bei seinem letzten Gang angelangt. Manche Gäste schwankten bereits leicht beschwipst, die ersten standen auf und verabschiedeten sich, und als sich zehn Minuten später auch die anderen erhoben und zufrieden plaudernd den Saal verließen, sammelte das Hotelpersonal bereits die Hochzeitsdekoration ein.

Ach ja, sah der Bräutigam denn nun dem berühmten Lin Zexu, wie wir ihn von Ölgemälden kennen, ähnlich? Eigentlich nicht. Aber das mag an Brille und Frisur gelegen haben.